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Es werden Posts vom Juni, 2024 angezeigt.

Honig

Guckt mal, ihr fleißigen Honigbienen: https://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/panorama/Klimakrise-bedroht-Honigsammel-Tradition-in-Nepal-article25012344.html  

the most probable value

Wissenschaftler denken anders als Fernsehjournalisten mit ihren Fingernageltheorien. Die porters (siehe Forty Years in the Mountains, S. 186 ff), die ihnen und den Promibergsteigern auf die Höhe helfen, haben nichts zu sagen. Sie tragen. Zelte, Brennmaterial, ganze Küchen und volle Vorratskammern, Reissäcke und Chilischoten, Wechselkleidung, Sauerstoffflaschen sowie natürlich das teure, hochempfindliche technische Equipment westeuropäischer Fernsehanstalten.  Der Mount Everest, lese ich, ist seit der letzten Messung um fast einen Meter gewachsen. Nach dem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,8 im Jahr 2015 machten sich chinesische und nepalesische Vermessungsteams auf, den Berg auf ihrer gemeinsamen Grenze neu zu vermessen - unter den kritischen Augen der geografischen Weltgemeinschaft sowie einer Wissenschaft, die gierig alle Daten, derer sie habhaft werden konnte, schluckte und analysierte. Ich weiß, dass die Glarner Alpen durch Oberflächenerosion und die Erdanziehung in Schach gehalte

Wachstumsschritte

Ich lese in einem Buch. In einem vor sage und schreibe 37 Jahren erschienen Buch. Und staune und zitiere: "Der Himalaya wächst mit etwa demselben Tempo wie ein Fingernagel: 10-15 cm pro Jahr." *** Man darf auch Aussagen in traditionellen Druckerzeugnissen hinterfragen. Vor allem dann, wenn es sich um eine Begleiterscheinung zu einer Fernsehserie handelt. Ich konsultiere also das www und finde - wen wundert's? - zum Wachstum von Fingernägeln widersprüchliche Angaben. Dass sie wachsen, ist unbestritten. Im Winter aber sollen sie langsamer wachsen als im Sommer, bei Männern schneller als bei Frauen, bei jungen Menschen jeglichen Geschlechts noch schneller als bei älteren Menschen jeglichen Geschlecht. Heutzutage wachsen Fingernägel rund um den Globus schneller als vor noch einem halben oder ganzen Jahrhundert, was allgemein auf eine veränderte oder verbesserte Ernährung zurückgeführt wird. Fingernägel wachsen auch schneller als Zehennägel, weil letztere weniger Zeit an Luft

Pässe II

Kürzlich, auf meiner ersten Reise nach Lalitpur, trug ich meine Wanderschuhen und musste sie bei keiner Kontrolle, an keinem Flughafen ausziehen. Ich behielt sie fast 24 Stunden lang an den Füßen. Nicht weil ich dort sofort in die Berge steigen wollte oder gar über mehrere im Wind schwankende Hängebrücken hinweg gleich mehrere Gebirgspässe passieren wollte. Nein, ich wollte die Wanderschuhe einfach nur stehen lassen. Damit sie angekommen sind. So wie ich zwei volle Koffer, eine Handvoll Bücher und einen meiner beiden laptops stehen lassen wollte.  Mein halbes Leben steht seit einem halben Monat bereit in Kathmandu.  Logistisch ist es sinnvoller, schwere Schuhe an den Füßen mitzutragen als im Koffer. Dies ist nur ein Beispiel für grandiose Missverständnisse, die mir gerade auf Schritt und Tritt entgegenschlagen. Rundum wird alles hinterfragt, was ich tue oder lasse. Ständig soll ich mich rechtfertigen. Noch nie in meinem Leben sah ich mich einer so hemmungslos lauernden Dauerbeobachtung

Steine

Ein Stein nach dem anderen rollt den Hang hinunter und fällt mir schließlich vom Herzen. Die russischen Bücher hat mir die Optikerin abgenommen. Die französischen kommen nach Högel. Die italienischen verteile ich wie Pizzastücke. Die polnischen stehen imer noch stramm, geschlossen von A wie Anderman (brak tchu, kraj świata) bis Z z kropką, also Ż wie Żeromski (Przedwiośnie, Dzienniki - 3 grube tomy!), im Regal. Ktoś chętny?

Stonehenge

Ich hole den allerletzten Aktenordner vom Dachboden und schreddere seinen Inhalt. Das muss geschehen, bevor die Sonne heute Abend ihren höchsten Stand am Himmel über der Nordhalbkugel erreicht. Es ist nicht schlimmer, als ich erwartet hatte, dauert aber deutlich länger. Gerichtsakten, Verhörprotokolle, seitenlange Urteilsbegründungen und Revisionen bis hoch zum BGH. Die Vergangenheit lässt sich nicht restlos eliminieren und in feine Streifen zerschnipselt in die Papiertonne kippen. Nein! Es bleibt dabei und kann nicht oft genug wiederholt werden: Schwiegervaters Leben hat eine Krankenschwester auf der kardiologischen Intensivstation der Berliner Charité vorzeitig beendet. In Stonehenge - wo sich traditionell Tausende zur Sommersonnenwende versammeln, um die Sonne direkt hinter dem Eingang zum Steinkreis aufgehen und dann ihr Licht exakt auf den Altarstein in der Mitte fallen zu sehen - in diesem Stonehenge trieben gestern Klimaaktivisten ihr Unwesen und besprühten die Megalithblöcke de

Pässe

Ich besitze zwei Pässe. Im einen Pass ist ein Ort angegeben, den ausländische Behörden gerne als Geburtsort in ihre Akten nehmen. Es ist aber nicht mein Geburtsort. In diesem Heimatland steht die Vergangenheit über der Gegenwart. Der Geburtsort bedeutet nichts, die Herkunft der Väter alles. Im anderen Pass ist mein Geburtsort korrekt eingetragen. Dafür ist der Ort, an dem dieser Pass ausgestellt wurde, ein noplace . In diesem Heimatland steht die Architektur über natürlichen Bodenerhebungen. Die Behörde, die ihren Bürgerinnen und Bürgern persönliche Papiere wie Reisepässe ausstellt, sitzt an mehreren Orten zugleich, im Land, im Kreis, in der Stadt, meist in mehrstöckigen Verwaltungsgebäuden mit Aufzug und Dachterrasse, denn sie bietet ihrem Personal alles, ist eine Krake und betreibt immer mehr Aussenstellen. Lege ich nun diese beiden Pässe probehalber offen nebeneinander auf meinen Schreibtisch, kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand auf der Welt glauben wird, dass sie ein u

Haare

Alle nepalesischen Frauen tragen ihr Haar lang. Es ist von Natur aus tiefschwarz. Wie die Augen. Die Frauen sind von Natur aus sehr schön. Je jünger, desto länger, desto schwärzer, desto glänzender das Haar. Einige versuchen, es aufzuhübschen. Ganz ohne Not. Mit Henna Abwechslung, Strähnchen reinzukriegen. Nur bei Lhakpaphuti lese ich "Nanda was in jean pants. She had cut her hair short and looked beautiful" (S. 224 Forty Years in the Mountain). Nanda, Pasang und Lhakpaphuti auf dem Weg zum Everest, das erste nepalesische women-team ever. Im März 1993. Die Expedition misslang. Nanda wurde krank, Pasang scherte aus - trotz mehrerer "bad omens" - und kam vom Alleingang nicht zurück, Lhakpaphuti hatte keine Gefährtinnen mehr und begrub ihren Traum. Eine der vielen bedrückenden Geschichten in diesem Buch. Keine/r darf sich über die Götter erheben! Ich hingegen bin eine von zwei Frauen in Kathmandu mit raspelkurzen Haaren. An jenem Sonntag auf jener Bank begrüßte mich je

monsoon clouds

Kaum sind wir weg, kommt der Regen, und zwar verfrüht! Normalerweise, sagen die nepalesischen Meteorologen, beginnt die monsoon season am 13. Juni und endet am 23. September. Aber: monsoon clouds entered the country from eastern Nepal on Monday, three days ahead of the usual onset date. Ab morgen soll der Regen das Kathmandu valley und die Hauptstadt erreichen. Geschätzt 1,81 Millionen Menschen und 412,000 Haushalte sollen gefährdet sein in diesem Jahr. https://kathmandupost.com/climate-environment/2024/06/10/monsoon-enters-nepal-three-days-ahead-of-schedule

without - within

Ich bin zurück und nicht ansprechbar. Seit dem Umsteigen in Dubai rebelliert alles in mir. I didn't want to come back! Wenn ich richtig rechne, war ich fast 24 Stunden unterwegs, durch die Zeitverschiebung aber kaum einen halben Tag. Ich schlafe und lese. Und lese und schlafe. Ich bin mit einem einzigen Buch zurückgekommen, das mir die Autorin Lhakpa Phuti Sherpa auf den Weg mitgegeben hat: Forty Years in the Mountains .  My English is not perfect - seltsamerweise aber habe ich den Eindruck, als ob durch die an vielen Stellen holpernde englische Übersetzung das nepalesische Original näher an mich heranträte. Learning by reading!

left

Wir stehen mit der Sonne auf und ich werfe einen letzten Blick vom Balkon im 5. Stock. So leer und still habe ich die Stadt noch nie erlebt. Sogar ein Geh-Behinderter mit Stock, den ersten, den ich sehe, überquert in aller Ruhe die unbelebte Straße! Auch von den Vögeln mit den malerischen Augen ist nichts zu sehen und nichts zu hören. Wir verlassen den Linksverkehr und heben ab in Richtung Westen. Ich sitze am Fenster und schaue hinab auf die Häuser und Köpfe, die die Turbinen am Samstagmorgen - dem Sonntag Nepals - in Lalitpur malträtieren.

(c)o two

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Diesen Baum habe ich aus der gestrigen Oase gerettet. Auf einen leichten Tag folgt ein schwerer. Das übermütige Spiel mit den Dämonen rächt sich. Wir fahren nochmals dreimal quer durch die Stadt. Sehen den ersten Verkehrsunfall, leichter Blechschaden zweier Überlandbusse. Beglücken Taxifahrer und schauen Wohnungen an, die für uns nicht in Frage kommen. Ich packe und mich packt die Verzweiflung. Natürlich lasse ich die 40 kg mitsamt laptop hier, aber ich muss sie wieder verteilt bekommen auf zwei Koffer. Ein Kollege von W. wird mein halbes Leben an sich nehmen und beaufsichtigen, bis ich mit der anderen Hälfte wiederkomme. Dass wir keine Bleibe gefunden haben, findet niemand ungewöhnlich, nicht einmal wir. Das Umgekehrte wäre erstaunlich gewesen und wir haben gelernt, mit guten Ratschlägen umzugehen. Möbel sind immer Geschmackssache. Teppiche auch. Wohnungen sowieso und landende Flugzeuge über den Köpfen, wer will das zum anderen Lärm umsonst noch obendrauf bekommen?

Advice from a tree

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Ich verbringe einen Tag im Grünen. In einer Oase der Stille, umgeben von alten Bäumen und jungen Vögeln. Ich habe ganz vergessen, wie relaxing Ruhe ist. Wir denken nach und sind uns einig, dass es keinen Sinn macht, heute einen Mietvertrag für eine Wohnung zu unterschreiben, die noch eine Baustelle ist. Für ein Jahr, mit Vorauszahlung von 6 Monatsmieten plus 2 Kaution. Und einer beiderseitigen Kündigungsfrist von einem Monat, wobei weder bereits bezahlte Mieten noch die Kaution verrechnet werden. Ich sitze in einer Gartenschaukel im Schatten und lese in meinem zweikiloschweren Himalayabuch mit dem Ama Dablan auf dem cover und einer dieser horrible suspending bridges . Ich lese von Geistern und Dämonen, von Gorkhakämpfern und Sherpas. Und am Abend beim business -Empfang treffe ich alle diese Leute leibhaftig. Advice from a tree - Stand tall and proud - Go out on a limb - Remember your roots - Drinking plenty of water - Be content with your natural beauty - Enjoy the view

Weitergehen

Wir sind nicht zum Vergnügen hier, also arbeite ich den halben Tag, bis ich vor Hunger fast vom Stuhl falle. Nach dem Essen (fried rice) bin ich so müde, dass ich auf dem Sofa einschlafe. Mein Spaziergang verschiebt sich deshalb in die Abendstunden und ich lerne, dass mir die Dunkelheit keineswegs entgegenkommt beim Überqueren der Straßen. Meine größte Herausforderung in diesem Land ist das Gehen, das Vorwärtsgehen, Weitergehen. Irgendwann werde ich die laute Stadt verlassen und in die Berge, in die Höhe gehen wollen. Nicht auf den Everest. Nicht in meinem Alter. Darunter ist es überall hoch genug. Ich (alp-)träume von den Hängebrücken, die überall über engen Schluchten hängen, im Winde schwanken, in schwindelerregender Höhe und immer mal wieder Teile verlieren. Wer Pech hat, tritt mittendrin ins Leere. So stelle ich mir das schweißgebadet vor. Die schwer beladenen Yaks laufen aber auf den Filmchen bei YouTube unbekümmert rüber, Schulkinder auch, die Bauern sollen störrische Esel mitsa

mixture

everything is a mixture ... meine Sprache auch. Und meine Gedanken wandern, wie die Füße. Stolpern, brennen. Heute vor 35 Jahren durften die Polen zum ersten Mal frei wählen. Und heute habe ich frei, weil W. busy ist auf seiner conference am anderen Ende der Stadt, also in Kathmandu. Geduldig warte ich das (heftige!) Gewitter am Mittag ab und durchquere dann Lalitpur von der Pucho Thura (Western Ashoka Stupa) zur Teta Thura (Eastern Ashoka Stupa). Puh! Das ist heftig! Auf dem Rückweg komme ich an der Ibahi Thura (Northern Ashoka Stupa) vorbei, mehr oder minder ungeplant. Die größte, die Lagan Thura (Southern Ashoka Stupa) spare ich mir für den nächsten Spaziergang und bringe so wahrscheinlich wie gewohnt alles durcheinander. Alle Heiligtümer sollen hier nämlich im Uhrzeigersinn abgeschritten werden. Aber ich bin schon so frei, dass ich an jedem Schrein oder Tempel, von denen es wahrlich genug gibt, die Gebetsmühlen drehe und wenn vorhanden, die Glocke schlage. Was sein muss, muss sein.

kalahapriya

Das ist einer der Namen meiner Hirtenmaina im Sanskrit. Bedeutet, wie ich lese, soviel wie "einer, der gerne streitet". Sie streiten sich tatsächlich den ganzen Vormittag auf meinem Balkon im 5. Stock. Der Jungvogel, mächtig gewachsen, ist wieder da und die Alten möbeln ihn mächtig zusammen vom Geländer herunter, was ihm einfalle, sich wieder in die Ecke zu verkrümeln und den Schnabel aufzusperren. Im Sanskrit heißt er auch chitranetra (= der mit malerischen Augen) oder peetanetra (= der mit gelben Augen) oder peetapaad (= der mit gelben Beinen). Trifft alles zu! Ich sehe heute den ersten Affen über die Stromkabel über der Strassenkreuzung wetzen. Ich lerne heute, dass nicht Toleranz Hinduisten und Buddhisten friedlich neben- oder miteinander leben lässt, sondern das Teilen. We share, what we have. We share, what is good. Eine Studentin führt mich in die Hinterhöfe und zu den alten Newarhäusern. Und wir landen schließlich im Goldenen Tempel. We share everything, sagt sie. It`

working day

Der Samstag ist hier der Sonntag. Davon habe ich gestern nichts gemerkt. Heute hingegen, am Sonntag Mittag verbringen wir viel Zeit in der Hauptgeschäftstelle einer Nepalesischen Bank. Füllen Formulare zur Eröffnung zweier Konten aus, eines für W. und eines für mich. Dann besichtigen wir unser neues Heim, eine zweistöckige Wohnung, an der noch heftig gebaut wird, nur das Terrassengeländer in der unteren Etage ist bereits blau gestrichen. Blau scheint Nepals Lieblingsfarbe zu sein. Wir brauchen zwei Konten und zwei Stockwerke. Unterwegs - wir stehen heute viel länger im Stau als wir je auf einer Bank saßen - wird mir eine nepalesische SIM-Karte in mein Smartphone appliziert, neben meine deutsche. Nun weiß ich gar nicht mehr, wer oder wo ich gerade bin. Ich lerne, über InDrive Taxis zu bestellen, auf zwei oder vier Rädern, und komme für mich selbst überraschend sofort auf die verwegene Idee, mir, wenn ich dann dereinst alleine unterwegs bin, ein Motorcycle vor die neue Haustür zu bestell

Steigbügel

Ich gehe vor dem Frühstück einkaufen und rücke nach dem Frühstück unserem immer noch flugmüden Hausvogel den Frühstückstisch so hin, dass er ihn mit seinen kräftigen gelben Beinen als Steigbügel vom Küchenfensterbrett zur Balkonbrüstung nutzen kann. Die Altvögel kreischen immer lauter, ungeduldiger, schon leicht entnervt - und der erste Versuch misslingt natürlich. Die erschöpfte Hirtenmaina muss noch einmal von vorne beginnen. Sie ist tapfer, aber bedingt lernwillig. Als sie endlich oben auf der Brüstung zwischen Papa und Mama angekommen ist, fordert sie Futter. Trampelt mit den Krallen und sperrt den Schnabel weit auf. Die Erziehungsberechtigten fordern Gehorsam, trampeln auch mit den gelben Krallen und schlagen mit den Flügeln: Abflug! 5. Stock, ein Kinderspiel! Nach ungefähr einer weiteren Stunde ist es dann so weit und sie ziehen zu dritt in den gepflegten Garten des United Nations House gegenüber. Ich danke Lord Buddha für die erste Lektion. Dem Kassenzettel vom Bhat-Bhateni Supe