Haare

Alle nepalesischen Frauen tragen ihr Haar lang. Es ist von Natur aus tiefschwarz. Wie die Augen. Die Frauen sind von Natur aus sehr schön. Je jünger, desto länger, desto schwärzer, desto glänzender das Haar. Einige versuchen, es aufzuhübschen. Ganz ohne Not. Mit Henna Abwechslung, Strähnchen reinzukriegen.

Nur bei Lhakpaphuti lese ich "Nanda was in jean pants. She had cut her hair short and looked beautiful" (S. 224 Forty Years in the Mountain). Nanda, Pasang und Lhakpaphuti auf dem Weg zum Everest, das erste nepalesische women-team ever. Im März 1993. Die Expedition misslang. Nanda wurde krank, Pasang scherte aus - trotz mehrerer "bad omens" - und kam vom Alleingang nicht zurück, Lhakpaphuti hatte keine Gefährtinnen mehr und begrub ihren Traum. Eine der vielen bedrückenden Geschichten in diesem Buch. Keine/r darf sich über die Götter erheben!

Ich hingegen bin eine von zwei Frauen in Kathmandu mit raspelkurzen Haaren. An jenem Sonntag auf jener Bank begrüßte mich jene Dame, die in Zukunft unsere Dollars verwalten wird, mit den Worten: I know you! Oh, antwortete ich reichlich verblüfft. Where did we meet? I can't remember. War ich doch zum ersten Mal und gerade mal ein paar Tage in Nepal. Sie zippte und zappte auf ihrem handy herum und zeigte mir unzählige Bilder. Der ganze kleine Bildschirm voller einzelner, noch kleinerer Bilder. Tatsächlich ist auf allen, wie auf den früheren Negativstreifen - nur in Farbe und nicht spiegelverkehrt - , eine Frau mittleren Alters zu sehen, natürlich ergraut, flotter Kurzharschnitt. Aber das bin nicht ich! Das ist die derzeit amtierende Schweizer Botschafterin in Kathmandu. 

Eingereist bin ich mit meinem deutschen Pass, dort klebt auch das mittlerweile abgelaufene Visum. Das Bankkonto musste ich als Deutsche eröffnen, weil ich als Schweizerin kein Visum besass und mich folglich illegal im Land aufhielt. Wer zwei Pässe besitzt, lebt immer am Rande des Abgrunds, fällt leicht zwischen Stuhl und Bank, Baum und Borke, Hammer und Amboss.

Für mein zukünftiges Leben lerne ich erstmal, mir selber die Haare zu schneiden.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Sackgasse

mixture

Währungsreform