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Es werden Posts vom Oktober, 2024 angezeigt.

Trayodashi

Der Dreizehnte. Trayodashi. Klingt in meinen Ohren immer noch wie polnisch. Jetzt aber richtig: trzynaście (dreizehn) oder trzynastka (die Dreizehn). Ist trotzdem Sanskrit. Der dreizehnte Tag von Shukla Paksha, von der zunehmenden Mondphase. Kein Feiertag, jedenfalls kein richtiger, aber auch kein richtiger Arbeitstag. Die Straßen sind noch geräuscharm und die Luft am Morgen frisch. Fast fröstelt mich! Mein Gewährsmann S. vertröstet mich auf Freitag. Wir müssen die restlichen Pakete bei der Post abholen, aber: govt officers come back to work on Friday after holiday. Derweil laufe ich hier um die Ecke und kaufe 100 tiefgefrorene Momos. Nach den Feiertagen ist vor den Feiertagen. Sales from the shutter in our Panipokhari Outlet - als ich das entdeckte, war es bereits zu spät und der shutter (Rollladen) über Tage pulled down (geschlossen). 50 veg + 50 chicken. Damit es nicht zu eintönig wird und kleinere Packungen gibt es nicht. Jetzt darf nur der Strom nicht mehr allzu oft oder allzu la

Dwadashi

Heute ist der zwölfte Tag. Auch wenn ich es nicht verstehe. Und immer noch Feiertag, himmlische Ruhe! Es ist der zwölfte Tag nach Neumond, jedenfalls in Nepal. Und es ist der 28. Tag nach unserer Abreise aus Europa. Also genau zwei 14-Tagestranchen. Irgendwie ist das schon richtig so. Ich schlafe viel, weil erst jetzt die Erschöpfung der letzten Monate ihr Recht fordert. Es wird früh dunkel, also lege ich mich früh ins Bett und stehe früh auf, laufe schnurstraks in den Wald, steige auf den Berg und gucke in den Himmel. Dwadashi erinnert mich an polnisch dwadzieścia - was aber zwanzig und nicht zwölf bedeutet. Dwadashi kommt wie fast alles hier aus dem Sanskrit und bezeichnet richtig den 12. Tag jeder Mondphase, also der Shukla Paksha und der Krishna Paksha. Das wissen wir schon. Seit gestern! Im Wald läuft ein ausgewachsener Affe herum. Vielleicht auch mehrere, aber bisher kam mir nur einer entgegen. Und der umarmte dann lachend einen uralten Baum.

Papankusha Ekadashi Brat

Der elfte Tag des vierzehntägigen hinduistischen Festtagsmarathons. Und warum nicht der zwölfte?  In meinem Kalender viele unverständliche Wörter. Papangkusha Ekadashi Brat, Annapurna Yatra, Asan. Chain. In der Früh zerdeppere ich ein Teeglas. Noch ohne Tee. Fege es mit einer unachtsamen Bewegung von der Anrichte. Kürzlich fiel mir ein Espressotassenuntertellerchen aus der Hand. Scherben dieser Art sind - im Gegensatz zu den verletzungssicher verpackten und verklebten Überresten deutschen Zollkontrollen - eine mittlere Katastrophe, da ich nicht weiß, wie sie zusammenfegen. Einen Staubsauger, den ich in meinem früheren Leben seufzend am Sonntagmorgen zur Hand genommen hätte, gibt es hier nicht. Und mit dem Besen, den meine cleaningladies mit bewundernswerter verve benützen, kann ich nicht umgehen. Nur gut, dass ich gerade allein auf bloßen Füßen durch die Wohnung tigere. Das Glas war eh überflüssig und das weiße Tellerchen, nun ja, passte auch nicht so richtig. Ich hatte zwei typisch br

Dashain ko Tika

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Ich versuche zu verstehen, was ich sehe, was ich höre, was ich lese. Ungefähr in dieser Reihenfolge. Heute geradezu gespenstische Ruhe und ein Leuchten überall! Es ist unglaublich, wie viel Schönheit hier an den unerwartetsten (kein schöner Superlativ, das gebe ich zu - aber so ist die deutsche Sprache) Orten und in den unerwartetsten (dito) Momenten in Erscheinung tritt. Sich manifestiert. Ohne Scham und ohne Kult. Einfach so. Voller Würde. Kürzlich trat meine Nachbarin auf dem 10. Stock aus der Tür und ich war sprachlos in meinem T-Shirt und einer ausgleierten Hose. So geblendet und verdattert, dass ich kein Wort herausbrachte. Ich hatte schon ihren Sohn oder Mann im Aufzug gesehen, der war wie alle und überall, in Eile und jeansblau. Aber die Frau! In meinem Kalender Bijayadashami (oder: Vijaya Dashami), Dashain ko Tika 2081, Devi Bisarjan. Die TKP (The Kathmandu Post) berichtet: "the Nepal Panchanga Nirnayak Bikas Samiti has declared 11:36 am as the ideal time for receiving ti

Maha Astami und Mahanawami

Die Kathmandu Post klärt mich auf: heute feiern die Hindus im ganzen Land den achten und neunten Tag des Bada Dashain Festivals. Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen, weil ich Tage, Namen und Daten durcheinander brachte und immer wieder in Gedanken zum Neumond zurückkehrte und von vorne anfing zu zählen. Dass die Nepali nicht gut kopfrechnen können, ist uns schon aufgefallen. Dass alles vom Mond abhängt, auch. Den sehe ich nun schon bei Sonnenuntergang vor dem Fenster von links nach rechts wandern. Heute genau in der Hälfte durchgeschnitten. Die Nächte sind mittlerweile angenehm kühl und hoch im Zenit steht ein einziger Stern. Geweckt werde ich pünktlich von gurrenden Tauben. Riesige Raubvögel kreisen lautlos, aber erst im Laufe des Vormittags. Das ist der Vorteil eines 10. Stockwerks: wir können auf die Vögel hinunterblicken. Allmählich gewöhne ich mich an den Schwindel über dem alles verzehrenden Schlund. Mein Nepali Calendar for Phone sagt mir an: Maha Astami, Kaal Ratri und Ma

Phulpati

Mein Kalender sagt: Phulpati, Nawapatrika Prabesh. Der siebente und zweitwichtigste Tag von Dashain. Nun nimmt das Festival spirituelle Fahrt auf und das öffentliche Leben kommt (fast ganz) zum Erliegen. Das Wort des Tages besteht aus der Blume ( phūl ) und dem Blatt ( pātī ). Gestern sah ich einen kleinen, dürren Mann mit riesigen Bananenbaumblättern, sie überragten ihn um mindestens das Doppelte, die er freudestrahlend vor sich her trug. Heute früh wird noch einmal der Müll eingesammelt. Im Ranibari Forest, im Porpa Ajima Tempel ist viel los. Man huldigt der Göttin Durga sowie ihrer achten Inkarnation, der Göttin Kalratri, die als Symbol der Macht gilt. Sie wird, davon sind alle hier im Wald mitten in Kathmandu überzeugt, die Welt aus der Finsternis ins Licht führen, Frieden und Wohlstand bringen.  Auf dem Heimweg nehme ich mir ein paar Rankeblumen vom Wegesrand mit. Kaum biege ich von einer Hauptstraße ab, fühle ich mich wie auf dem Dorf. Und da ist alles erlaubt.

Dunkelheiten

Mitten in der Nacht wache ich auf und sehe zum ersten Mal zu meinen Füßen eine dunkle Stadt. Endlich, denke ich, schlafen auch die Nepali. Aber natürlich irre ich. Die Aircondition über meinem Bett piepst und brummt kurz, ehe sie sich wieder zur Ruhe begibt. Dies ist das akustische Zeichen in meinem Zimmer, dass der Strom weg war und gerade wieder gekommen ist. Unter mir gehen wie auf Knopfdruck alle bunten Lichter wieder an. Ohne Strom können wir nicht kochen, obwohl die Küche mit Gasherd ausgestattet ist. Aber der Zünder für die Flamme funktioniert nur elektrisch. Da hilft kein Streichholz, auch für die Mikrowelle nicht. Aber wir können warm duschen. Der mit Gas betriebene Durchlauferhitzer zündet dank zwei dicker altmodischer Batterien. Wir haben 4 Zimmer und 1 Küche, 3 Bäder, 3 Balkone. 4 Gasflaschen stehen rund um die Wohnung verteilt vor den jeweiligen Fenstern in einem stabilen Metallkorb. Für jedes Bad eine. Die für den Herd steht ohne Einfassung auf dem Küchenbalkon. Trotzdem

Peinlichkeiten

Ich habe mir vorgenommen, nichts über die Müh(l)en des Alltags zu schreiben. Es ist hier wie überall. Die eine und andere Peinlichkeit habe ich mir aber schon geleistet. Angefangen mit dem sugar . Über die Vorhänge. Ich wollte - im Herzen pure Schweizerin! - die einst weißen Vorhänge im Wohnzimmer wieder weißwaschen. Ich dachte, ich mache das am besten am Samstag, wenn die cleaning ladies kommen. Dann können sie die Vorhänge abnehmen, Fenster putzen, Sofas wegrücken, alle Ecken auskehren. Und bis sie damit fertig sind, stellte ich mir vor, sei auch die Waschmaschine fertig, und die ladies könnten die staubtrockenen Vorhänge wieder aufhängen. Pustekuchen. Der Strom war weg, bevor sie kamen und blieb weg, solange sie hier waren und noch eine ganze Weile darüber hinaus. Die elektrische Türklingel funktionierte notabene auch nicht, und sie mussten lange an die Tür poltern, bis ich in meiner Einfalt verstand, was das Gepolter bedeutete. Sie kamen nämlich fast zwei Stunden früher als verein

Jahrestag

Ich feiere meinen persönlichen Jahrestag. Der ist positiver, als alle Jahrestage dieser Welt. Das oder der Blog (laut Duden geht beides) "In Lalitpur" existiert seit genau einem Jahr, zwischenzeitlich unter leicht abgewandelten Namen "Na(ch) Lalitpur" oder "Nach Lalitpur". Das war eine meiner persönlichen Wortspielspinnereien, die niemand verstehen muss. Initiiert wurde das Ganze von einem einzigen, simplen, unüberlegten, leichtfertigen und folgenschweren Satz . Wer A sagt, muss auch B sagen. Vor genau drei Wochen haben wir Europa verlassen. Seither wohnen wir (noch) nicht in Lalitpur, sondern im Norden Kathmandus, in Panipokhari, im B-Wing. Zur Feier des Tages speisen wir im Walnut Bistro . 6 Gehminuten von unserem 10. Stock entfernt. W. hat dort schon öfters über foodmandu Essen bestellt. Bistro ist irreführend. Wir sitzen draußen, unter einem Blätterdach, unter Bäumen, wie im Wald. Mitten in der Stadt. Im Windschatten der lauten Lazimpat Sadak. Für Kind

sugar

Da auch die Kristallzuckerdose unversehrt aus einem der Pakete zutage trat, sowie der silberne Zuckerlöffel mit eingefasstem Bernstein, beschloss ich, Zucker zu kaufen. Es ist das einzige Beste Teil, das ich je besessen, und mitsamt Löffel kein Familienerbstück sondern eine Erinnerung an Warschau der 1980er Jahre. Verzichten wollte ich darauf aus irgendeinem Grund auf keinen Fall, ein Minimum an hirnloser Sentimentalität sei auch mir gegönnt.  Da sie nun da ist, muss sie gefüllt werden. Ich habe nichts mitgenommen, nur um es in den Schrank zu stellen. Da wir auf dem peace walk wir immer wieder Tee gereicht bekamen, Tee zum Ankommen in den Klöstern, Tee zum Frühstück, Tee zum Aufbrechen, zuckersüßen, brühendheißen Tee in Metallbechern, an denen ich mir regelmäßig die Lippen verbrannte, schlussfolgerte ich, dass in diesem Land kein Mangel an Zucker ist. Denn: je süßer der Tee, schien mir, desto wohlmeinender der ausschenkende Mönch.  Da ich seit Tagen vergeblich in mehreren Shops nach Zu

Ficus Religiosa L Moraceae

Ich habe meinen Lieblingsplatz für mein Morning Qigong gefunden. In der Nähe einer riesigen Ficus Religiosa L Moraceae - einer Pappel-Feige bzw. des heiligen Buddhabaums oder Bodhibaums , des Baums des Erwachens der Buddhisten, nicht der Erleuchtung! -, deren verschlungenen Stamm ich vorher dreimal umrunde und berühre. Auf der anderen Seite des Tempelhügels wurde bereits eine Ableger gepflanzt, geschützt von einer robusten Bambusabsperrung und mit einem Bewässerungsschlauch zu Füßen. Ich habe gelernt, dass hier Berge schneebedeckt sind. Alles andere sind Steigungen, Anhöhen, Hügel oder Wald. Der Schnee macht den Berg zum Berg nicht der Stein oder Fels. In Kathmandu geht es immer wieder auf und ab, aber die Stadt liegt im Tal. Und wenn die Leute über die kommenden Feiertage nach Hause fahren - sie kommen fast alle von weither, von einem Dorf in einer entlegenen Gegend, egal in welcher Himmelsrichtung -, sagen sie: "I'm out of the valley". Das bedeutet, dass sie per whats

Selbstversorgung

Da meine japanische Ingwerreibe gänzlich unversehrt aus einem der Pakete wieder zum Vorschein kam, kaufte ich gestern ein prächtiges Exemplar von Ingwerwurzel. Rieb mir zu Hause ein Stück fein und übergoss es mit heißem Wasser und trank den ganzen Abend von dem bitteren Zeug. Heute kann ich merklich besser atmen.  Da ausgerechnet der "Schindelinschuh" (eines meiner Frühwerke) unterwegs aus dem Rahmen geraten ist, muss ich nun Hand anlegen und Schrauben aufdrehen. Werkzeug haben wir keines mitgenommen, aber W. bekam einst von der Gemeinde Gossau das größte Viktorinox geschenkt, das ich je gesehen und das er aus sentimentalen Gründen nicht zurücklassen wollte. Es steckt in einem Lederetui mit Klettverschluss, das er sich sogar an den Gürtel schnallen könnte, wäre er nicht ständig zu Luft unterwegs. Mit Sägeblättern diverser Größe, die als Waffen oder Brotmesser eingesetzt werden könnten, wenn hier Brot in Laiben angbeboten würde. Sowie einem Kreuzschlitzschraubendreher, der lei

Feiertage

Meine vaterländische Pflicht habe ich gestern schon erfüllt: an der "Reception", die der deutsche Botschafter in Kathmandu anlässlich des "Day of German Unity" im Hyatt Regency gab, teilgenommen. Leider unter denkbar ungünstigen Vorzeichen. Erstens ging ein heftiger Regenschauer nieder, kurz bevor wir aufbrechen wollten. Der Strom fiel aus und das Internet war weg, inDrive nicht erreichbar. Als alles wieder floss, war kein Fahrer verfügbar. Erst nach längerem kam ein freundlicher Nepali, mit dem wir geduldig die Zeit von 18:08 bis 19:45 im Stau quer durch die Stadt verbrachten. Wir erreichten also die Reception, nachdem alle Reden bereits gehalten waren, und die Schlacht am Büffet in vollem Gange war. Es bot deutsche (Sauerkraut und Würste) und italienische (Nudeln tomatenrot oder sahneweiß) Kost an. Nicht prickelnd. Als Bhaltis bekamen alle auf den Nachhauseweg 2 Tüten Haribo, liebevoll mit einem schwarzrotgoldenen Bändelchen zusammengebunden. Aufgewacht bin ich mi

Scherben

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Von den abholbereiten Dehaels habe ich nur 6 bekommen, W nur 8 - die anderen waren unauffindbar, dafür trugen die starken Männer 1 Paket in den 10. Stock, das gar nicht für uns bestimmt ist.  Meine Sendungen sehen einigermassen gesittet aus, wenn auch das eine, das wie von der Post schriftlich an den Absender (also an mich in Meldorf, wo ich seit 2 Wochen nicht mehr lebe) mitgeteilt, gemäß § 9a Luftsicherheitsgesetz geöffnet und bis auf die letzte Büroklammer und meine intimsten Aufzeichnungen über die Tide in der Meldorfer Buch durchwühlt worden ist. Never mind. Unser freundlicher Meldorfer Briefträger hat den Brief bei den Nachbarn abgegeben. Und der freundliche Nachbar hat sich von mir die Erlaubnis geholt, ihn öffnen und mir als scan elektronisch schicken zu dürfen. So war ich gefasst auf das Allerschlimmste. W. hingegen pflegte in Hamburg nie gute Nachbarschaften, so dass er nicht zeitnah unterrichtet wurde darüber, dass sämtliche seiner Pakete geöffnet, durchwühlt, bis ins letzte

Himalajabülbül

Neuer Monat, neues Glück. Ich habe den Wald entdeckt, direkt bei mir um die Ecke, hinter der Japanischen Botschaft, im nördlichen Teil neben der Thailändischen. Den Ranibari Community Forest . Ab heute gehe ich dort im Morgengrauen laufen, meditieren, nachdenken, atmen, dem Himalajabülbül und tausend anderen Vögeln lauschen, dem Bambus beim Wachsen zusehen. Im 10. Stock ist es schwierig, Energien zu kultivieren und gleichzeitig die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Auch das Trampolin erweist sich so nah dem dem Himmel mehr als halsbrecherisch.  Per heute sind 7 von meinen 9 und 8 von Ws 10 DeHaeL parcels in KTM abholbereit. Wir brauchen 1 Van und 2 kräftige Männer. Und viel Geduld.