sugar

Da auch die Kristallzuckerdose unversehrt aus einem der Pakete zutage trat, sowie der silberne Zuckerlöffel mit eingefasstem Bernstein, beschloss ich, Zucker zu kaufen. Es ist das einzige Beste Teil, das ich je besessen, und mitsamt Löffel kein Familienerbstück sondern eine Erinnerung an Warschau der 1980er Jahre. Verzichten wollte ich darauf aus irgendeinem Grund auf keinen Fall, ein Minimum an hirnloser Sentimentalität sei auch mir gegönnt. 

Da sie nun da ist, muss sie gefüllt werden. Ich habe nichts mitgenommen, nur um es in den Schrank zu stellen.

Da wir auf dem peace walk wir immer wieder Tee gereicht bekamen, Tee zum Ankommen in den Klöstern, Tee zum Frühstück, Tee zum Aufbrechen, zuckersüßen, brühendheißen Tee in Metallbechern, an denen ich mir regelmäßig die Lippen verbrannte, schlussfolgerte ich, dass in diesem Land kein Mangel an Zucker ist. Denn: je süßer der Tee, schien mir, desto wohlmeinender der ausschenkende Mönch. 

Da ich seit Tagen vergeblich in mehreren Shops nach Zucker Ausschau hielt, nahm ich gestern meinen ganzen Mut zusammen und fragte eine junge Verkäuferin im Blue Moon: "Do you have sugar?" Dabei kam ich mir unvorstellbar bescheuert vor. Die Dame nickte freundlich, sure! White sugar? One kilo? Sie stupste den Kollegen, der neben ihr stand, an und der rief einem Dritten etwas zu. Dann passierte lange nichts, bis ich nicht mehr an mich halten konnte und nochmals nach dem sugar fragte. Yes, yes, beeilte sich die junge Dame. Und richtig! Im nächsten Moment bog der bisher unsichtbare Dritte hinten um eine Ecke und warf ihr etwas durch den langen schmalen Gang zu. Es traf sie an der Schulter und fiel zu Boden. Sie schrie, schimpfte (vielleicht) und hob das Päckchen auf. Es war mein Kilo Zucker, in eine unbeschriftete Plastiktüte abgepackt, die den Sturz unbeschadet überstanden hatte. Ich bedankte mich artig und lief zur Kasse. 

Da der sugar schön grobkörnig glitzert wie Berkgkristall in der Kristalldose, und eine Löffelspitze meinen täglichen Himalaya-Espresso mehr als genug süßt, muss ich hoffentlich in den nächsten Jahren in diesem Land keinen Zucker mehr kaufen.

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