Umwege

Der Umweg zum Schlüssel - zur Einsicht, dass wir einen zweiten Schlüssel gar nicht brauchen - hat das Gesicht der Stadt verändert und mich aus meinem kühlen Morgentrott befreit. Die Ecke unter der Treppe am Eingang zum Ranibari Forest gleicht morgens um 7 einem wuseligen Markt im Schatten. Alte und junge Frauen, mit oder ohne Kind, mit oder ohne Hund, verkaufen ihr Gemüse und malen die Preise in den Sand. Dazwischen ein Motorrad, über und über behängt mit in Plastik eingepacktem Weißbrot. Weiß der Himmel, wer hier so etwas kauft, denke ich jeden Morgen, ehe ich die Stufen in Angriff nehme. Und der Medizinmann sitzt mit der Personenwaage und dem Blutdruckgerät auf seinem Schemelchen. Umgeben von unverschämt dicken, parkenden wo immer Platz ist, SUVs. Die lassen mich täglich aufs Neue raten, wo denn deren Fahrer sind. Im Wald natürlich! Drehen als jung gebliebene Manager ihre Morgenrunden mit dem Smartphone in der Hand. Das ersten meeting des Tages.

Als ich also gestern rund drei Stunden später noch einmal an derselben Ecke vorbeilief, lag sie bereits in der brütenden Vormittagshitze. Alles verwaist und verlassen und ausgestorben, sogar die Shutterstores auf der anderen Seite der Straße hatten ihr Gemüse weggeräumt und das restliche Angebot hinter Tüchern verhängt. Hochsommersonne. Nicht einmal Kartoffeln oder Zwiebeln geschweige denn lebendige Hühner oder Tee waren mehr zu haben. Kein Mensch weit und breit. Nur um die Ecke hupende Mofas.

Der Wald braucht seine verdiente Ruhe. Vor 8 Uhr ist der Eintritt frei. Damit will die Stadt die Einheimischen ermuntern, sich zu bewegen, etwas für die Gesundheit zu tun, Morgengymnastik zu treiben, frische Luft zu atmen. Und die tun es munter in Gruppen oder allein, laut oder leise, rennend, lachend, telefonierend oder meditierend. Nach 8 kostet der Eintirtt 30 Rs, also kommen nur noch zahlende Besucher, sprich Touristen. Und die lassen auf sich warten, schlafen noch oder sitzen beim Frühstück in Thamel. Die locals sind längst bei der Arbeit, die Beamten sitzen in ihren Büros und die jungen Geschäftsleute auf ihren Mopeds. Ich am immer noch provisorischen Schreibtisch, wenn ich nicht gerade etwas zu erledigen habe, was gar nicht erledigt werden muss.

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